Antike und mittelalterliche Bibliotheken sowie spätantike Kompendien ("virtuelle Bibliotheken") sind institutionalisierte Speicherprozesse, in denen religiöses und profanes Wissen selektiert und organisiert wurde. Während die Selektionsprinzipien erkennen lassen, welches Wissen als relevant betrachtet wurde, verweisen die Organisationsprinzipien darauf, wie religiöse und profane Wissensbestände kultur- oder religionspolitisch genutzt wurden. Die Nähe zu kultischen Institutionen generierte unterschiedlich enge Verbindungen von Wissenstradierung und Kultus in baulicher, soziokultureller und reflexiver Hinsicht. In solchen Ensembles konnten Bildungsspeicher der Repräsentation religiös grundierter Autorität dienen oder Verhältnisbestimmungen von Medizin und Kultus und damit von Heil und Heilung transportieren.
Klassische Archäologie
Projektleiter: Prof. Dr. Johannes Bergemann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Kerstin Annika Rausch
Archäologie antiker Bibliotheken: Religion - Repräsentation - Wissensspeicher
Das Teilprojekt erschließt die archäologischen und philologischen Quellen zu den griechisch-römischen Bibliotheken in neuer, zusammenfassender Weise und wertet die Befunde im Hinblick auf die Kontextualisierung der Wissensspeicher in Heiligtümern und als herrscherliche Repräsentation aus. Dabei fragt sich, ob die Lokalisierung etwa der hellenistischen Bibli-otheken im sakralen Kontext als Vorbild für die Beziehung zwischen Bibliotheken und christlichem Kult in Spätantike und Mittelalter gelten können. Auch die Einbeziehung in Thermen wäre als Vorstufe zur Verbindung von Bad und Bibliothek im Mittelalter zu reflektieren. Dadurch soll geklärt werden, ob die antiken Bibliotheken in ihrem funktionalen Spektrum als Vorstufen späterer Zusammenhänge der Wissensspeicher gelten können oder eher zum transkulturellen Vergleich geeignet sind.
Publikationen (Auswahl)
Klassische Philologie
Projektleiter: Prof. Dr. Heinz-Günther Nesselrath
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. Balbina Bäbler
Bildung und Religion in christlichen Bibliotheken der Spätantike
Das Projekt erforscht die Interaktionen von Bildung und Religion bei wichtigen frühen christli-chen Bibliotheken (wobei Kontinuitäten und Diskontinuitäten gegenüber nicht-christlichen Vorgängern durch eine umfassende Aufarbeitung der literarischen wie der archäologischen Zeugnisse sichtbar gemacht werden sollen), und zwar an drei paradigmatischen Fällen:
1. der Schule und Bibliothek des Origenes in Caesarea,
2. der Umwandlung der Bibliotheca Pacis (Rom) in den Kirchenkomplex St. Kosmas und Damian
3. des Vivariums (Bibliothek und Bildungsinstitution) Cassiodors in Kalabrien.
Publikationen (Auswahl)
Religionswissenschaft
Projektleiterin: Prof. Dr. Ilinca Tanaseanu-Döbler
Wissenschaftliche Mitarbeitende: Jörg von Alvensleben, Andreas Streichhardt, Leonie von Alvensleben, Dr. Gabriela Ryser
Pagane Religion und Philosophie in "virtuellen Bibliotheken": spätantike Kompendien und Enzyklopädien
Das Teilprojekt untersucht Formen der Literarisierung paganer religiöser Traditionen in ausgewählten spätantiken Kompendien und enzyklopädischen Werken. Die pagane Religionslandschaft wird dabei in ihrer ganzen Fülle, einschließlich der Philosophie, in den Blick genommen. Mechanismen der Selektion und der Kondensierung von Wissen über Religion werden sowohl hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf spätantike pagane Religiosität und ihrer Einbettung in übergeordnete Bildungskonzepte als auch hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Konstruktion und Tradierung von alternativen Weltbildern im Mittelalter analysiert.
Publikationen (Auswahl)
Mittelalterliche Geschichte
Projektleiterin: Prof. Dr. Hedwig Röckelein
Wissenschaftliche Mitarbeitende: Silviu Ghegoiu, Karin Bohr, Carmen Cvetkovic
Religiöse Rezeption und christliche Transformation antiken nicht-religiösen Wissens in der Karolingerzeit
Ziel des Projektes ist die Rekonstruktion der Kommunikations- und Transformationsprozesse nicht-religiösen antiken Schul- und Gelehrtenwissens auf dem Gebiet der Septem Artes und der Medizin in der Karolingerzeit. Untersucht wird die religiöse Neuinterpretation dieser Wissens- und Bildungstraditionen unter christlichen Vorzeichen und dessen Einsatz für repräsentative und pragmatische Zwecke der karolingischen Herrscher. Gegenstand der Untersu-chung sind die im Schulunterricht vermittelten und in den Bibliotheken versammelten nicht-religiösen Texte sowie die architektonischen Ensembles, in denen die Schule wie Bibliothek am Hof in Aachen und andernorts im Frankenreich ihren Platz hatten.
Publikationen (Auswahl)